Teilnahme an der IWRW 2022 mit dem Projektthema "What effects do different land use types have on butterfly diversity?"

24.06. Reise in die Schweiz

Nach umfänglicher Gepäckauswahl und mit großer Spannung auf die Erlebnisse der International Wildlife Research Week vom Schweizer Jugend forscht stieg ich abends kurz nach 21 Uhr am Dresdner Hauptbahnhof in den ICE, der mich einmal quer durch Mitteleuropa bringen sollte.

Beim Wettbewerb Jugend forscht habe ich 2022 mit meinem Projekt „Siedlungsdichte der Feldlerche – Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Revierdichte in einem Bischheimer Untersuchungsgebiet“ teilgenommen und damit im Regional- und Landeswettbewerb gewonnen. Ende Mai 2022 bekam ich auch beim Bundeswettbewerb in Lübeck die Gelegenheit, meine Arbeit vorzustellen und habe dabei den Sonderpreis zur Teilnahme an der IWRW gewonnen.

Abfahrt in Dresden Richtung Zürich

Bei diesem Projekt zur Vernetzung internationaler naturbegeisterter Jugendlicher freute mich zum einen darauf, die anderen Teilnehmer kennenzulernen und mich in meine Projektarbeit zu stürzen. Gleichfalls war ich als begeisterter Ornithologe auch darauf aus, zahlreiche Vogelarten des alpinen Raumes zu finden und zu beobachten.

Während mir nun die Gedanken von singenden Bergpiepern und aufflatternden Alpenschneehühnern traumesgleich vor dem geistigen Auge vorbeizogen, raste ich mit dem ICE schlaflos durch Deutschland in Richtung der hohen Berge im Süden…

25.06. Projektauftakt

Nach mitternächtlichen Umstiegen in Leipzig und Frankfurt kam ich am nächsten Morgen um 8 Uhr endlich am Bahnhof Zürich an. Vom langen Sitzen angestrengt war ich nun sehr erfreut, mich endlich bewegen zu können und hatte nur vor, zum Zürichsee zu laufen und mir die Stadt anzusehen.

Mit die ersten, die mich so in der Schweiz begrüßten, waren einige Alpensegler, die größeren Verwandten der außerhalb des Alpenraumes vorkommenden Mauersegler, die als kleiner Trupp in der warmen Morgenluft nach Insekten jagten.

Nachdem ich meinen sperrigen Koffer zum Seeufer gezerrt hatte, war nun endlich der Moment gekommen, das Farbenspiel des Zürichsees zu genießen und im Park die Hektik der Reise abklingen zu lassen. Was für ein Anblick…!

Blick auf den Zürichsee mit den Alpen im Hintergrund

Pünktlich um 13 Uhr trafen sich alle Teilnehmer der IWRW 2022 am Bahnhof zur gemeinsamen Weiterreise nach Tschierv im Val Müstair, nahe der schweizerisch-italienischen Grenze, wo wir unsere Projekte durchführen werden. Neben mir als deutschem Teilnehmer waren 18 weitere Jugendliche aus der Schweiz, Litauen, Tschechien, Schweden, Estland, Norwegen, Portugal und Italien mit dabei.

Da wir alle ein ähnliches Interesse an Natur und Draußensein hatten, fiel uns der erste Kontakt sehr einfach und wir hatten uns gegenseitig ziemlich viel über unsere Region, unsere Hobbys und die Erwartungen der Woche zu erzählen. Die Kommunikation stellte trotz der Herkunft aus verschiedensten europäischen Ländern keine Schwierigkeit dar und die Sprache wechselte je nach Gesprächspartner zwischen Französisch, Englisch und etwas zwischen Deutsch und Schwyzerdütsch.

Nach weiteren vier Stunden Zugfahrt mit der beachtlich pünktlichen und genau getakteten schweizerischen Bundesbahn durch die Nordschweiz, erreichten wir am Nachmittag unsere Unterkunft im Val Müstair, in der Südostschweiz. Nach den Anstrengungen und Eindrücken der Reise war ich am Abend sehr froh, nach vorzüglicher Mahlzeit endlich eine ganze Nacht durchschlafen zu können und mich auf den nächsten Tag mit angesetzter Wanderung in die Berge zu freuen.

26.06. Wanderung

Am nächsten Tag begannen wir unsere Wanderung zum Munt Buffalora, nahe der italienischen Grenze. Marco und Luis, unsere Guides für die gesamte Projektwoche, führten uns dabei durch die alpine Landschaft. Wir überquerten breite Flusstäler, wanderten durch Hangwälder und stiegen bis über die Baumgrenze auf die blühenden Bergwiesen.

Wanderung

Blick auf die Alpenwiesen im italienischen Grenzgebiet

Während der Wanderung erhielten wir tiefgreifende Einblicke in die Vielfalt und Spezialisiertheit der alpinen Lebenswelt, zum Beispiel die Anpassung der Pflanzen an raue Klimabedingungen, Wasserknappheit und stetiger Wind. Bei dieser Wanderung hatte zudem jeder die Möglichkeit, sich in sein Forschungsprojekt einzuarbeiten, das den Kern der Projektwoche darstellen soll.

Eine kurze Bemerkung zu den Forschungsprojekten:

Ziel der International Wildlife Research Week vom Schweizer Jugend forscht war die Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitsweise zu zoologischen und botanischen Themen in der praktischen Feldforschung. Dabei konnte jeder Teilnehmer im Voraus ein Projekt auswählen. 2022 haben wir Projekte zu Pflanzendiversität von Bergwiesen im Zusammenhang mit Nutzungsintensivierung, Nischenbildung bei verschiedenen Fettkrautarten im alpinen Lebensraum, zur Verbreitung von Kreuzottern und Aspisvipern in der Region, zur Anpassung von Amphibien an den Klimawandel, zur Fluchtdistanz vom Murmeltieren und zur Tagfalterdiversität auf Bergweiden durchgeführt. Ich habe mich für das Tagfalterprojekt entschieden, aber dazu später mehr.

Lilagold-Feuerfalter mit Insektenkescher

Auf der Wanderung hatten also alle Gelegenheit, sich mit ihren Forschungsobjekten zu beschäftigen, also verschiedene Fettkrautarten voneinander zu unterscheiden, Schmetterlinge zu fangen und deren Bestimmung zu üben oder die durchdringenden Warnrufe der Murmeltiere zu orten.

Besonders beeindruckend für mich war dabei der überwältigende Anblick der bunt blühenden Bergwiesen inmitten der schroffen Felsen. Dabei hatte ich natürlich auch die Möglichkeit alpine Vogelarten zu beobachten. So habe ich mich sehr darüber gefreut, Bergpieper, Steinschmätzer, Alpendohlen, Steinadler, Felsenschwalben und sogar einen Zitronengirlitz zu sehen. Ein besonderer Höhepunkt war es dabei, gleich mehrere sehr seltene Bartgeier über einer Felswand kreisen zu beobachten.

Am Abend waren alle von der Wanderung erschöpft aber dennoch begeistert von den Eindrücken des Tages. Die Abendstunden verbrachten wir mit geselligem Beisammensein und Kartenspiel.

27.06. – 30.06. Feldarbeit

In den folgenden Tagen begann für uns nun endlich die praktische Feldarbeit an unseren Projekten. Zuvor musste die Feldarbeit jedoch genau geplant und vorbereitet werden. Im Gegensatz zu den Forschungsgruppen, die in den Morgenstunden unterwegs waren und zum Beispiel Schlangen suchten, konnte unser Tagfalterprojekt erst ab 10 Uhr beginnen.

Grund dafür sind Methodenstandards des Tagfaltermonitorings in der Schweiz. Um die erfassten Daten vergleichen zu können, dürfen die Tagfalter nur bei optimalen Flugbedingungen kartiert werden, was neben der Uhrzeit insbesondere Windstille und prallen Sonnenschein erfordert. Sobald eine Wolke die Sonne verdeckte, war eine deutliche Abnahme der Aktivität wärmeliebender Schmetterlinge zu beobachten, wodurch die Ergebnisse verfälscht wurden.

Übersicht der Verteilung der Transekte

Aufgrund dieser strikten Vorgaben war unser Team am meisten auf passendes Wetter angewiesen, weshalb wir zum Teil lange auf Sonne warteten aber auch spontan losfahren mussten, um unser Erfassungsziel zu erreichen.

Die Untersuchungsmethode sah das Begehen von 12 vorher festgelegten Transektrouten auf verschiedenen Bergwiesen und -weiden vor. Diese waren entsprechend der Fragestellung so gewählt, dass Flächen mit verschiedenen Nutzungsformen (Weide, Mähwiese) und Nutzungsintensitäten (starke, mittlere oder keine zusätzliche Düngung) erfasst wurden.

Zur Erfassung der Tagfalterfauna auf den einzelnen Flächen wurden die Transekte von je 150 m Länge in konstanter langsamer Geschwindigkeit abgelaufen. Dabei war das Ziel, in einem Umkreis von 5 Metern um den Transekt alle sich aufhaltenden oder durchfliegenden Schmetterlinge mit speziellen Insektennetzen zu fangen und später zu bestimmen.

Transektbegehung zur Tagfaltererfassung

Dabei gingen wir sehr behutsam vor, um die Falter nicht zu verletzen. Nachdem sie bestimmt wurden, haben wir alle Tiere nach spätestens 20 Minuten unversehrt wieder freigelassen. Insgesamt haben wir so 361 Schmetterlinge von 41 verschiedenen Arten erfasst.

Bei dieser Feldarbeit begeisterte mich vor allem die atemberaubende Vielfalt und Farbenpracht der Schmetterlingsarten, die wir bestimmt haben. Vom feuerroten Dukaten-Feuerfalter über schwarze Mohrenfalter, schillernde Bläulinge und die glänzenden Hinterflügelunterseiten der zahlreichen im Gebiet vorkommenden Schecken- und Perlmuttfalter boten die Tagfalter und Widderchen eine echte Augenweide.

Am Abend des 27.06. besuchten wir im Besucherzentrum des Biosfera Val Müstair einen Vortrag zur Vorstellung des Schutzgebietes und eine Einführung in wichtige landschaftspflegerische Eingriffe.

01.07. Auswertung und Berichterstellung

Teil der wissenschaftlichen Arbeit im Rahmen der IWRW sollte zudem die korrekte Auswertung der Ergebnisse aus der Feldarbeit sein. Zeil war es dabei, einen vollständigen wissenschaftlichen Beitrag inklusive Methodenbeschreibung, Gebietsvorstellung, Ergebnisaufbereitung und Diskussion der Erkenntnisse zu erarbeiten.

Hierzu haben wir mithilfe von QGIS Übersichten zur Transektverteilung erstellt, eine detaillierte Methodenbeschreibung erarbeitet und unsere Ergebnisse digitalisiert und anschaulich dargestellt.

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Ergebnis unserer Arbeit war ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Intensität der Nutzung einer Wiese und der Tagfaltervielfalt. Auf stark gedüngten Wiesen waren sowohl die Artenanzahl, als auch die Anzahl festgestellter Individuen merklich geringer als auf ungedüngten Mähwiesen. Außerdem stellten wir eine deutliche Präferenz der untersuchten Tagfalter für Mähwiesen im Vergleich zu Weiden fest. Ein Grund hierfür ist die Zerstörung der Raupen als Larvenstadium der Schmetterlinge.

Am Nachmittag haben alle Gruppen ihre Ergebnisse in offizieller gemeinsamer Runde mit Gästen des Schweizer Jugend forscht Wettbewerbes präsentiert. Nach einem entspannten Ausklingen der Woche bei gemeinsamem Abendessen neigte sich nun die IWRW 2022 ihrem Ende zu.

Abschiedsstimmung im Val Müstair

02.07. Abreise

Nach einer eindrucksvollen Projektwoche in Tschierv reisten wir am Samstag wieder ab. Zuvor jedoch haben wir mit größter Motivation und Sorgfalt unsere Unterkunft wieder gereinigt und brachen schließlich wieder die lange Heimreise an. Am Züricher Hauptbahnhof endete damit offiziell die IWRW 2022 und nach einer emotionalen Verabschiedung von den anderen Projektteilnehmern und dem Wunsch, sich später wiederzutreffen, ging eine Woche voller unvergesslicher Erlebnisse und mit viel Motivation für zukünftige Forschungsideen zu Ende.

Nach rund 15 Stunden Bus- und Zugfahrt, die mit nur leichten Verspätungen verlief, erreichte ich schließlich um Mitternacht wieder den Dresdner Hauptbahnhof und konnte mich bald wieder mit dem Bild von singenden Bergpiepern und segelnden Bartgeiern vor meinem geistigen Auge in den wohlverdienten Schlaf träumen…